Industriestandort Eiken

Noch im späten 18. Jahrhundert gab es in Eiken neben der Land- und Forstwirtschaft kaum Verdienstmöglichkeiten. Das Kleingewerbe bestand fast ausschliesslich aus Einmannbetrieben, deren Erzeugnisse mehrheitlich dem Eigenbedarf im Dorf dienten. Um die Verdienstmöglichkeiten in grossen Familien zu verbessern, verbreitete sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts immer mehr die Heimarbeit, insbesondere im Textilbereich. Diese Heimarbeiten waren jedoch primär Nebenbeschäftigungen zur Landwirtschaft und können somit nicht als Anfang einer Industrialisierung unseres Dorfes bezeichnet werden. Im Laufe des 19. Jahrhunderts fanden immer mehr Eiker in der grenznahen Stadt Säckingen Arbeit und gute Verdienstmöglichkeiten. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs nahmen die täglichen Arbeitermärsche über die Holzbrücke auf einen Schlag ab.

Produktionen mit industriellem Charakter traten in unserer Gemeinde im bescheidenen Rahmen erstmals gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren immer mehr Eiker gezwungen, auswärts zu arbeiten. Insbesondere in Brugg, Baden, Möhlin, Rheinfelden und Pratteln fanden sie vorwiegend Industriearbeitsplätze mit guten Verdienstmöglichkeiten. Diese Orte waren von Eiken aus mit der Eisenbahn bequem erreichbar. Erst in den 1960er-Jahren entstanden auch im ländlichen oberen Fricktal zunehmend Industriearbeitsplätze, insbesondere im Chemiebereich.

Heimarbeit

1785 betrieb Fidel Brutschi aus Eiken fünf Webstühle. Im gleichen Jahr wird ein Joseph Berger «der Weber» genannt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Weberei bei uns weit verbreitet, so dass bis zu 23 Personen in diesem Beruf tätig waren. 1864 tauchte in unserem Dorf erstmals die Berufsbezeichnung Posamenter auf. Die Posamenter woben Spezialbänder vorwiegend für Basler Firmen. Bereits nach dem Ersten Weltkrieg verschwand die Heimposamenterei in unserem Dorf wieder.

Erste Kleinfabriken

Im Jahre 1881 baute die Firma Schwarz & Stutz an der Laufenburgerstrasse unterhalb der Bahnlinie eine Leimfabrik. Das Unternehmen kam jedoch nie zum Florieren und musste den Betrieb schon bald einstellen. Nach mehreren Zwischennutzungen produzierte schliesslich die Firma Pfeiffer in diesem langen und hohen Gebäude bis vor dem Ersten Weltkrieg Gipsdielen. Nach dem Krieg betrieb eine Basler Firma in diesem Gebäude rund 20 Webstühle und beschäftigte 35 Personen. Später kaufte Vinzenz Schwarb die Liegenschaft, um seine bestehende Schreinereiwerkstätte zu erweitern.

Die Schreinerei Schwarb an der Laufenburgerstrasse im Juni 1991. (Foto: Urs Berger)

Die Schreinerei Schwarb an der Laufenburgerstrasse im Juni 1991. (Foto: Urs Berger)

Um 1995 musste das Gebäude den Erweiterungsbauten der Drahtwaren Dinkel weichen.

1917 entstand beim Bahnhof die Fricktalische Mosterei und Obstverwertungs-Genossenschaft FOG. Auch dieses Unternehmen konnte sich am Markt nicht behaupten, worauf es verkauft und in Obstverwertungs-Zentrale Fricktal Eiken OVE umbenannt wurde. Schliesslich übernahm 1937 der Verband Ostschweizerischer Landwirtschaftlicher Genossenschaften (Volg) den Betrieb und baute ihn grosszügig aus. Ein eigener Bahnanschluss diente der Anlieferung von Mostobst und Kohle für die Öfen. Das Unternehmen produzierte verschiedene Fruchtsäfte und Branntweine. Die Volg-Niederlassung war auch eine Drehscheibe für den Versand der Fricktaler Kirschen an die Verarbeiter und Detailhändler. Im ganzen Monat Juli wurden nachts vor Ort die Kirschen entsteint und in Konservendosen oder später Beutel abgefüllt. Während Jahren fanden in diesem Betrieb rund 30 Mitarbeiter Arbeit. Bis 2005 wurde die Obstverarbeitung komplett aufgegeben, seither befinden sich in diesen Gebäulichkeiten der Landi-Laden und ein Verteilzentrum.

Werbekarte aus den 1930er-Jahren. (Bild: zVg Familie Gerold Schwarb-Dinkel)

Werbekarte aus den 1930er-Jahren. (Bild: zVg Familie Gerold Schwarb-Dinkel)

Entwicklung nach dem Krieg

Im Ausserdorf erstellte 1948 die Firma Sarasin & Cie eine neue Weberei mit rund 20 Webstühlen. Da die Firma auch in Frick eine grosse Bandweberei besass und Überkapazitäten in diesem wirtschaftlichen Segment zu vermehrten Absatzschwierigkeiten führten, musste der Betrieb in Eiken bereits 1961 wieder geschlossen werden. Später produzierte hier die Firma Otto Suhner AG Elektrozubehör, bevor das Gebäude um 1970 an die benachbarte Spenglerei FEA verkauft wurde.

1956 wurde in Eiken die Grastrocknungsanlage der Grastrocknungsgenossenschaft Fricktal in Betrieb genommen. Die Gebäulichkeiten dienen heute u.a. als Feuerwehrmagazin.

1958 begann die Firma Hurth in der Chremet mit dem mechanisierten Abbau von Kies. Das Unternehmen ging bereits wenige Jahre danach an die Firma Schwarb AG, die seit 1958 ein Kieswerk in Münchwilen betrieb. Nach mehreren Ausbauten mit Betonwerk ging das Unternehmen nach der Jahrtausendwende an die Firma Holcim.

1921 gründete Edwin Dinkel einen Handel mit Draht, der in den 1950er-Jahren mit der Produktion von Diagonal-Drahtgeflecht erweitert wurde.

1960 musste die Firma Dinkel aus Platzgründen die Produkte auf dem Vorplatz zwischenlagern. Es folgten stetige Erweiterungen der Produktions- und Lagerräume. (Bild: zVg Thomas Dinkel)

1960 musste die Firma Dinkel aus Platzgründen die Produkte auf dem Vorplatz zwischenlagern. Es folgten stetige Erweiterungen der Produktions- und Lagerräume. (Bild: zVg Thomas Dinkel)

Im Jahre 1960 entstand an der Ausserdorfstrasse die Firma Fekete, die in einer neu erbauten Fabrik Anhängerchassis und Baustellenwagen herstellte. Bereits 1963 zog die Firma FEA AG in diese Räumlichkeiten ein, die seit 1950 in Zuzgen Kochherde produzierte. Das Unternehmen von Werner Bischoff stellte in Eiken Lüftungsrohre mit Zubehör her. Seit 2014 wird das Areal von einer Reinigungsfirma und verschiedenen Handelsfirmen genutzt.

Die Volg-Niederlassung führte auch zur Gründung von Partnerfirmen, wie etwa die Otto Junker Transporte AG (Treibstoffe und Heizöl, 1963), und zum Bau des Getreidesilos beim Bahnhof Sisseln, das in zwei Etappen zwischen 1969 und 1974 entstand.

Chemische Werke Sisslerfeld

Seit den 1960er-Jahren gewannen die Arbeitsplätze der chemischen Industrie immer mehr an Bedeutung. Die grossen Landreserven wie auch die guten verkehrstechnischen Anbindungen an Strasse und Schiene bewogen die stark expandierenden Basler Chemiebetriebe, sich vermehrt im Fricktal niederzulassen, wobei auch die Gemeinde Eiken von zahlreichen interessanten Arbeitsplätzen profitieren konnte. Gegenwärtig bietet das DSM-Werk Sisseln, das zu einem grossen Teil auf Eiker Boden liegt, rund 1000 Arbeitsplätze an.

Nach umfangreichen Landerwerbungen kam es 1961 zum ersten Spatenstich der späteren ROCHE Sisseln AG. Während der ersten 15 Jahre entstanden ununterbrochen neue Bauten und das Werk entwickelte sich zu einem bedeutungsvollen Arbeitgeber in der Region. Bereits zu Beginn der Bautätigkeit ging aus der Planung hervor, dass das Werk im Endausbau grösstenteils auf Eiker Boden liegen wird. Im Frühjahr 1967 wurde die Werksbahn mit 2 km Geleise in Betrieb genommen. Sie ist an die SBB-Station Sisseln angeschlossen, die seit dem Bahnbau im Jahre 1892 auf Eiker Boden liegt. Die ebenfalls 1967 angeschaffte werkseigene Rangierlokomotive wurde auf den Namen Fridolin getauft, in Anlehnung an den Säckinger Stadtheiligen und Patron der Sissler Kapelle. Der erste Lokomotivführer war Paul Fridolin Rohrer aus Eiken. Infolge der befürchteten Abgasemissionen kam es zum politischen Widerstand gegen die Erweiterung des Kesselhauses mit dem 140 m hohen Kamin. Die Gemeinde Eiken erteilte dem bis heute höchsten Bauwerk im Gemeindebann bereits 1969 die Baubewilligung. Einsprachen führten aber zu zahlreichen Diskussionen, so dass die letzten Einsprachen erst rund ein Jahr später unter Auflagen bezüglich Emissionsgrenzwerte zurückgezogen wurden.

Bereits 1968 stand im Sisslerfeld die weltgrösste Vitamin-A-Fabrik, im gleichen Jahr war der Baubeginn für eine Anlage zur Vitamin-E-Produktion, welche bis heute die weltweit grösste ist und auf Eiker Boden steht. Vitamin E wie Eiken? Seit 2005 gehört das Werk zum DSM-Konzern mit Sitz in den Niederlanden.

Das heutige DSM-Werk im April 2004 kurz vor der Montage der Lärmschutzwände entlang der Bahnlinie, die heute mitten durch unser Dorf führt. (Foto: Urs Berger)

Das heutige DSM-Werk im April 2004 kurz vor der Montage der Lärmschutzwände entlang der Bahnlinie, die heute mitten durch unser Dorf führt. (Foto: Urs Berger)

Industriegebiet Rütti

Neben dem Sisslerfeld befinden sich auch im Industriegebiet Rütti grössere Landreserven. Vor dem Autobahnbau war dies ein eher stilles Landgebiet: Die äusserst schwach frequentierte Bahnstation Sisseln befand sich seit der Eröffnung im Jahre 1892 einsam auf freiem Feld nahe des Hardwaldes. Die beiden Strässchen nach Sisseln und Laufenburg dienten ausschliesslich dem Lokalverkehr ab und nach Eiken. Einzig das Kieswerk Schwarb AG sorgte für regelmässige Transporte, sonst war es ruhig in der verträumten Landschaft, die romantisch von der Sissle durchquert wird. Auch die Inbetriebnahme des Getreidesilos im Jahre 1969 änderte an dieser Situation nicht viel: Zur Erntezeit brachten die Landwirte das Korn zur Einlagerung, nach dessen Reinigung wurde es in Form von Schüttgut in die Bahnwaggons auf dem eigenen Anschlussgeleise verladen. Nach der Erweiterung des Getreidesilos 1974 schien die Zeit in diesem Gebiet stehen zu bleiben. Auch der Aufschwung der 80er-Jahre brachte keine neuen Industriebetriebe, obwohl das Gebiet wenige Minuten vom Autobahnanschluss entfernt liegt. Hingegen nahm der Güterverkehr auf der kleinen Station Sisseln insbesondere wegen den Erweiterungen der ROCHE Sisseln/Eiken stetig zu. 1990 kam es gar zur Erweiterung der Gleisanlagen, als eine Abladestelle für Aushubmaterial erstellt wurde. Da sich der Kiesabbau in der Region zu Ende neigte, wurde gleichzeitig auch ein neues Anschlussgeleis Richtung Kieswerk eingerichtet, um Kies, etwa aus dem Zürcher Unterland, mit der Bahn anzuliefern. Davon musste bis jetzt noch kein Gebrauch gemacht werden, da der Kies in den vergangenen Jahren aus anderen Gruben des Fricktals mittels Camions angeliefert wurde.

Im neuen Jahrtausend begann die Ansiedlung von verschiedenen Betrieben im Industriegebiet Rütti, so dass diverse neue Arbeitsplätzte und auch Ausbildungsmöglichkeiten für Lehrlinge entstanden. Da die SBB-Station Sisseln in den 90er-Jahren mangels Nachfrage definitiv geschlossen worden war, erstellte man schliesslich 2016 in der Rütti eine neue Postautohaltestelle.

Den Startschuss für die Überbauung der Rütti gab 2005 das Logistikunternehmen DB Schenker. Gebaut wurden ein Umschlagplatz inklusive Lagerhaus sowie ein Verwaltungsgebäude für die Erstellung der Frachtpapiere für den Import/Export. Gegenwärtig bietet der internationale Konzern am Standort Eiken rund 100 Arbeitsplätze an.

2011 nahm die Firma Westfalia in der Rütti ein neues Logistikzentrum für Gase in Betrieb. Das Unternehmen beschäftigt rund 20 Mitarbeiter. Weitere 100 Arbeitsplätze entstanden ab 2013 bei der Firma Häring, die ihren Hauptsitz von Pratteln nach Eiken transferierte. Das Holzbauunternehmen ist für innovative Bauten bekannt und erstellte vor Jahren in Rheinfelden Europas grösster Kuppelbau in Form eines Salzlagers.

Schliesslich verlegte 2016 die Firma Densa ihren Produktionsstandort in Rheinfelden nach Eiken. Das Unternehmen produziert mit rund 15 Mitarbeitern Verpackungen für die chemische Industrie. Da die Densa einen grossen Teil ihrer Erzeugnisse mit der Bahn spediert, kam es zur Verlängerung des 1990 erstellten und bis dahin nie benutzten Anschlussgeleises in Richtung Kieswerk.

Es ist zu erwarten, dass in den nächsten Jahren weitere Industriebetriebe sich auf dem Gebiet Rütti ansiedeln werden, die verkehrstechnische Anbindung an Strasse und Schiene bieten beste Voraussetzungen hierfür.

Urs Berger

Der 140 m hohe Kamin der DSM ist das höchste Gebäude auf Eiker Boden. (Foto: Urs Berger, April 2004)

Der 140 m hohe Kamin der DSM ist das höchste Gebäude auf Eiker Boden. (Foto: Urs Berger, April 2004)

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