Alte Gemeinderechnungen erzählen

Eiken im letzten Jahrhundert der habsburgischen Herrschaft

Wie andere Dörfer erfreute sich Eiken innerhalb der gleichnamigen Vogtei einer grossen Autonomie und besass eine eigene Kasse. Sie wurde in der Regel von Geschworenen geführt, in späterer Zeit auch vom Bürgermeister und einem Geschworenen. So zeigten sich 1788 die Geschworenen Heinrich Dinkel, Sonnenwirt Johannes Rohrer und Jakob Berger zuständig. Jeweils am Anfang eines Jahres wurden Einnahmen und Ausgaben schriftlich festgehalten und der Gemeindeversammlung vorgelegt. Das Gemeindearchiv beherbergt zahlreiche Jahresrechnungen aus dem 18. Jahrhundert. Anhand von ausgewählten Rechnungsposten wollen wir in den nachfolgenden Ausführungen Einblick nehmen in das Leben der Gemeinde im letzten Jahrhundert der habsburgischen Herrschaft. Die zitierten Rechnungsposten sind zum besseren Verständnis teilweise im heutigen Sprachgebrauch wiedergegeben. In Klammern steht jeweils das Rechnungsjahr. In Gebrauch war die Guldenwährung: 1 Gulden (fl) = 15 Batzen (bz) = 60 Kreuzer (xr). Werfen wir zuerst einen Blick auf die Einnahmen:

Steuern

Den 8. Jenner hab ich 12 Monatsgelder auf Frick geliefert: 54 fl 10 bz 8 xr. (1745)
Den 18. Jenner hab ich 50 Monatsgelder auf Frick geliefert: 228 fl. (1745)
Im April dem Säckelmeister Mösch zu Frick ein halbe Steuer abgeliefert: 155 fl 31 xr ½ bz. (1788)

Die wichtigste Steuer war das sogenannte Monatsgeld – ein irreführender Begriff, da es mit einer monatlich eingezogenen Steuer nichts zu tun hatte. Sie wurde in den Vogteien vor allem von den Geschworenen eingezogen und floss in die vom Landschaftssäckelmeister verwaltete Kasse der Obervogtei. Für ihren Aufwand wurden die Geschworenen entschädigt. Einen Teil der Einnahmen durfte die Landschaft für eigene Belange verwenden, der weitaus grösste Teil wurde zu Handen des Staates dem Oberamt in Rheinfelden übergeben. Innerhalb der Landschaft Fricktal wurde der von der Obrigkeit geforderte Steuerbetrag vom Obervogt nach einem bestimmten Schlüssel auf die einzelnen Gemeinden verteilt. In den Vogteien nahm der Vogt zusammen mit den Geschworenen und einem Ausschuss die Verteilung auf die einzelnen Steuerpflichtigen vor. Massgebend für die Steuereinschätzung waren etwa die Grösse des Grundbesitzes und der Ertrag eines Gewerbes. Die Einschätzung aller Steuerpflichtigen einer Gemeinde zusammengenommen ergab das Monatsgeld. Dieses war noch keine Steuer, sondern lediglich eine Berechnungseinheit. Je nach Finanzbedarf der Landschaft oder des Staates wurde von den Gemeinden jährlich eine gewisse Anzahl Monatsgelder eingefordert. Vor allem in Kriegszeiten, wenn zusätzliche Ausgaben für das Militär zu stemmen waren, wurden deutlich mehr Monatsgelder erhoben als in Friedenszeiten.

Eine gewisse Entlastung für die Bevölkerung brachte die Reform des Steuerwesens unter Kaiserin Maria Theresia. Adel und Klerus wurden neu der Steuerpflicht unterworfen, während die einfachen Untertanen etwas weniger zu bezahlen hatten. In der Folge flossen bedeutend höhere Steuererträge in die Staatskasse als vor der Reform. Der damalige Eiker Vogt nahm es mit der Umsetzung der Reform allerdings nicht so genau. 1767 beschwerte sich die Gemeinde Schupfart beim Oberamt, weil der Eiker Stabhalter die Monatsgelder noch immer nach dem alten Fuss berechnete. Erst auf wiederholtes Drängen wandte der Vogt den neuen Steuerfuss an, wodurch die Schupfarter um rund 10 Prozent entlastet wurden.

Von den Säckingern wegen ihren Matten auf dem Sisselfeld als Steuer empfangen: 10 fl 23 xr. (1788)
Von den Sisslern, Münchwilern, Öschgern und Schupfartern als Steuer empfangen: 21 fl 28 xr. (1788)

Auch Auswärtige, die im Eiker Bann Land hatten, waren der Steuerpflicht unterworfen. Dass auch Säckinger Land in Eiken besassen, ist nicht verwunderlich, reichte doch der Säckinger Stadtbann weit ins Sisslerfeld hinein, so dass Säckinger Bauern auch im unmittelbar angrenzenden Eiker Bann Land erwarben und bewirtschafteten. Selbstverständlich wurden die Steuereinzieher für ihre Arbeit entschädigt:
Wegen der fremden Steuer einzuziehen: 4 fl. (1788)

1788 betrugen die Gesamteinnahmen der Gemeinde rund 766 fl, wobei die Steuern gut zwei Drittel ausmachten. Die Ausgaben, inklusive der dem Landschaftssäckelmeister weitergeleiteten Steuererträge, beliefen sich auf 815 fl.

Wein- und Mostverkauf

Von Martin Schwander, Obersäckingen, für verkauften Wein erhalten: 29 fl 3 bz 6 xr. (1734)
Von Johannes Schwarb, Rössliwirt, für 4½ Saum empfangen, der Saum zu 14 fl: 63 fl. (1788)
Für 4½ Saum Most empfangen, der Saum zu 8 fl: 36 fl. (1788)

Der Verkauf von Wein und Most war für die Gemeinde eine wichtige Einnahmequelle. Offenbar mussten die Bauern für die Benützung der Gemeindetrotte (siehe unten) eine Naturalentschädigung entrichten, die zu Gunsten der Gemeindekasse verkauft wurde. Erstaunlich ist, dass bereits 1788 dem Most eine gewisse Bedeutung zukam, dominierte doch damals der Rebbau. Der Flurplan von 1776 verzeichnet lediglich in den Baumgärten der Wohnhäuser Obstbäume, während sich die offene Flur nahezu baumlos präsentiert. Im 19. Jahrhundert erreichte der Rebbau seinen Höhepunkt, bevor die Rebbaukrise in den Jahrzehnten um 1900 dem Weinbau das Genick brach und im Gegenzug der Obstanbau gefördert wurde.

Grasverkauf

Aus dem Gras im Schladwuhr erlöst: 9 fl 30xr. (1802)

Der Hauptkanal der Bewässerungsanlage des Sisslerfeldes begann beim Wuhrhüsli an der Sissle und verlief weiter in Richtung Schlatt. Das Gras entlang des Kanals verkaufte die Gemeinde.

Strassenunterhalt

Vom Säckelmeister Mösch zu Frick für den Unterhalt der Landstrasse empfangen: 103 fl. (1788)

Für den Unterhalt der durch Eiker Territorium führenden wichtigen Landstrasse war die Gemeinde zuständig – für Dorfbewohner, die Unterhaltsarbeiten ausführten, eine willkommene Verdienstmöglichkeit. Die Aufwendungen wurden aus der Landschaftskasse gedeckt.

Wenden wir uns nun den Ausgabenposten zu:

Amtshandlungen

Dem Obervogt und den 6 neuen und alten Geschworenen für das Verfassen der Jahresrechnung der Gemeinde: 5 fl 40 xr. (1788)

1788 war der Eiker Stabhalter Johann Dinkel zugleich Obervogt des Fricktals. Anfang 1789 kamen er, die drei alten und die drei neuen Geschworenen zusammen, kontrollierten die Rechnung des vergangenen Jahres und hielten die Einnahmen und Ausgaben schriftlich fest.

Dem Bürgermeister für einen Gang nach Frick [zur Abnahme] der Landschaftsrechnung: 1 fl. (1774)

Obervogt und Säckelmeister hatten gegenüber den Gemeindevorgesetzten Rechenschaft über ihre Tätigkeit und die Landschaftsrechnung abzugeben.

Dem Obervogt [Johann Dinkel] und 3 Geschworenen für das Ausgeben von Holz im Gemeindewald: 2 fl 40 xr. (1788)

Für die damalige Bevölkerung besass der Wald eine weitaus grössere Bedeutung als heute. Die Ausgabe von Brenn- oder Bauholz dürfte denn auch eine nicht immer einfache Angelegenheit gewesen sein. Einerseits hatten die Bürger Anrecht auf ein festgelegtes Quantum Holz – wobei niemand übervorteilt werden durfte –, andererseits verlangte die zunehmend strenger werdende obrigkeitliche Waldgesetzgebung eine nachhaltigere Bewirtschaftung der damals übernutzten, ja ausgebeuteten Wälder.
Den Ortsvorstehern oblag auch das Bestimmen der Eichen, deren Rinde verkauft werden durfte:
Dem Stabhalter und 2 Geschworenen für das Anzeichnen der Eichen, deren Rinde man dem Gerber verkauft: 2 fl. (1802)
Eichenrinde enthält Gerbstoffe, sogenannte Tannine, die bei der Ledergerbung benötigt werden. Gerbstoffe erhöhen die Haltbarkeit des Leders.

Neben dem Entgelt für gewisse Amtshandlungen bekam der Eiker Vogt eine Naturalentschädigung in Form der sogenannten Vogtgarbe, auf welche die Vögte der Landschaft Fricktal Anrecht hatten. «Vollbauern», die mindestens vier Zugtiere (Pferde oder Rinder) besassen, gaben ihrem Vogt drei Getreidegarben. «Halbbauern», die weniger Zugtiere hielten, gaben zwei Garben, während die Tauner, die oft gar kein Rind, geschweige denn ein Pferd besassen, eine Garbe entrichteten. 1758 erhielt der Eiker Vogt, er stand der damals grössten Vogtei der Landschaft Fricktal vor, 500 Garben, derjenige der Vogtei Frick 480. Im Sommer 1794 verlangten einige Geschworene und zahlreiche Bürger der Vogtei Eiken vom Rheinfelder Oberamt die Abschaffung der Vogtgarbe. Diese Abgabe erfolge grundlos und sei für den gemeinen Mann eine drückende Last. Hinzu kam eine verbreitete Unzufriedenheit mit Stabhalter Johann Dinkel, der zugleich Vogt, Obervogt, Waisenvogt und Vorsteher des Marchgerichts war. Er vertrete vor allem eigene und die Interessen seiner Anhänger, statt sich um das Wohl der ganzen Vogtei zu kümmern, wurde Dinkel vorgeworfen. Das Oberamt ging jedoch nicht auf die Forderung der Bauern ein, worauf diese einfach die Aushändigung der Garben an den Vogt verweigerten. Als die Regierung mit einer militärischen Intervention drohte, entrichtete man die geschuldeten Garben trotzdem – bis zum Zusammenbruch der habsburgischen Herrschaft.

Gmeind

Wegen der Gemeind bey der Sonnen: 19 fl 27 xr. (1788)

Gemeindeversammlungen wurden früher in Kirchen, Kapellen oder, wie 1788 in Eiken der Fall, in oder bei einem Gasthaus abgehalten. Die Höhe des Ausgabenpostens lässt vermuten, dass die Teilnehmer auf Gemeindekosten mit Wein versorgt wurden.

Gemeindearchiv

Dem Schreiner von Keisten für ein nussbaumener Gemeindeladen: 1 fl 30 bz. (1774)

Der Schlosser erhielt für die Beschläge: 2 fl 6 xr. (1774) Wichtige Dokumente der Gemeinde wurden in einer Archivtruhe, der «Lade», aufbewahrt, die in der Regel in der Wohnung des Vogtes stand.

Gebäudeversicherung

Wegen der Gemeindetrotte in die Feuersozietät bezahlt: 14 xr. (1788)
Wegen dem Kirchturm in die Feuersozietät bezahlt: 21 xr. (1788)

Kaiserin Maria Theresia befahl 1764 die Einführung einer obligatorischen Gebäudeversicherung, der «Breisgauischen Feuersozietätskasse». Mit dieser Versicherung suchte der Staat die wirtschaftliche Not von Brandgeschädigten zu lindern. Der Obervogt hatte alle Gebäude einer Vogtei in einem Kataster zu erfassen. Erfasst wurden die Versicherungsnummer, der Eigentümer, ein kurzer Beschrieb sowie der Versicherungswert des Objekts. Die Gemeinde Eiken hatte als Eigentümerin der Trotte und des Kirchturms ebenfalls Versicherungsbeiträge zu bezahlen. Die Landesherrschaft widmete sich auch der Brandverhütung. In diesem Zusammenhang stand die jährliche «Feuerbeschau», bei der die Öfen, Kochherde und Rauchabzüge der Häuser kontrolliert wurden:
3 Geschworene und Lunzi Meyer für Feuerbeschau im Januar gegeben: 2 fl. (1788)

Trotte

Für Besen in die Trotte: 9 xr. (1788)
Für Unschlet in die Trotte: 51 xr. (1788)
Für 3 Schoppen Öl für das Licht in der Trotte: 45 xr. (1788)
Dem Bürgermeister Heinrich für 14 Tage in der Trotte: 7 fl. (1788)
Zimmermann Stephan Giess für Arbeiten in der Trotte: 30 xr pro Tag, also 2 fl für 4 Tage. (1788)

Der Flurplan von 1776 vermerkt westlich vom Wuhrhüsli das damals umfangreichste Rebgebiet Eikens. Noch heute heisst die Flur I de Räbe. Es erstaunt nicht, dass am südlichen Rand der Rebfläche spätestens im 18. Jahrhundert eine Trotte errichtet wurde. Sie steht noch immer und gehört der Gemeinde. Die Rebenbesitzer waren selber für das Pressen verantwortlich. Eine eigentliche «Trottmannschaft» gab es wohl nicht, jedoch lief der Trottbetrieb unter den Augen eines Amtsträgers. 1788 war dies Bürgermeister Heinrich Dinkel, der insgesamt zwei Wochen im Einsatz war.

Verwirrend für uns ist die Umrechnung der damaligen Masse und Gewichte in unser heutiges Dezimalsystem, denn bis ins 19. Jahrhundert herrschte auf diesem Gebiet ein aus unserer Sicht heilloses Durcheinander. Wie gross war beispielsweise der oben erwähnte Schoppen? Im 18. Jahrhundert umfasste ein Schoppen bei uns 0,7 Liter, im 19. Jahrhundert 0,375 Liter. Unter dem erwähnten «Unschlet», auch als «Unschlitt» bezeichnet, verstand man das vor allem von geschlachteten Wiederkäuern und anderen Paarhufern gewonnene Tierfett. In der Trotte diente es als Schmiermittel für die Trotteinrichtung.

Auch im Alte Bergli, wo ein weiteres, allerdings kleineres Rebgebiet lag, stand eine Trotte, die sich in privaten Händen befand. Sie ist auf dem Flurplan von 1776 ebenfalls eingezeichnet. Auch sie erscheint in den Gemeinderechnungen:
Von Joseph Dinkel, dem Gerber, für Holz zu der Trotten im alten Bergli erhalten: 1 fl 9 bz. (1772)

Kirchturm, Uhr und Glocken

Die Eigentumsverhältnisse an den Kirchengebäuden waren aufgeteilt zwischen der Gemeinde und dem Patronatsherrn. Das 1871 abgerissene, aus dem Mittelalter stammende Eiker Gotteshaus war eine Chorturmkirche; der Chor befand sich im unteren Teil des Turmes. Der Kirchturm gehörte zwar der Gemeinde, für den Unterhalt und die Ausstattung des im Turm integrierten Chors war hingegen der Patronatsherr zuständig. In Eiken übte das Rheinfelder Chorherrenstift St. Martin seit seiner Gründung 1228 die Patronatsrechte aus. 1868 übernahm die Kirchgemeinde diese vom Stift, das 1870 aufgehoben wurde.

Der Flurplan von 1776 verzeichnet die Gemeindetrotte.

Der Flurplan von 1776 verzeichnet die Gemeindetrotte (mitte links am Rande der Reben) als auch eine private Trotte (unten rechts). Oben gut erkennbar auch der von der Sissle abzweigende Hauptkanal der Bewässerungsanlage des Sisslerfeldes. (Quelle: AGIS)

Die noch heute stehende Eiker Gemeindetrotte aus dem 18. Jahrhundert.

Die noch heute stehende Eiker Gemeindetrotte aus dem 18. Jahrhundert. Das Wegkreuz war auch Ziel der Bannprozession. (Quelle: Das Obere Fricktal von 1850-1950, hgg. 1991)

Da für Uhr und Glocken die Gemeinde verantwortlich war, finden sich in den Rechnungen diesbezüglich zahlreiche Einträge. Die folgenden stammen alle aus dem Jahre 1788:

Dem Sigrist für Baumöl für die Uhr: 18 xr.
Die Gemeinde ernannte den Sigrist, zu dessen Pflichten u.a. das Aufziehen und die Wartung der Kirchturmuhr gehörten.

Dem Obervogt Dinkel für einen Gang nach Rheinfelden, um dem wohllöblichen Oberamt anzuzeigen, dass eine Glocke zersprungen war und um zu fragen, ob man dieselbe in Aarau umgiessen dürfe: 1 fl 20 xr.
Dem Obervogt Dinkel für 2 Gänge nach Aarau: 3 fl. Dem Heinrich Dinkel für die alte Glocke nach Aarau zu führen und die neue abzuholen: 6 fl 40 xr.
Für das Wägen der alten und neuen Glocke in Aarau bezahlt: 38 xr. Zoll für die Glocke in Aarau: 6 xr.
Für die neue Glocke bar bezahlt: 68 fl 45 xr.
Dem Heinrich Dinkel für einen Gang nach Murg mit dem alten Glockenkallen und um einen neuen abzuholen: 50 xr.
Neuer Glockenkallen: 4 fl 44 xr.
3 neue Glockenkallenriemen: 2 fl.
Dem Schlosser zu Obermumpf für Arbeiten an der neuen Glocken und an der Uhr: 10 fl 24 xr.
Für ein neues Glockenseil: 2 fl.

1788 musste eine zersprungene Glocke ersetzt werden. Die Gemeinde benötigte dafür die Einwilligung des Oberamtes. Also begab sich Obervogt und Stabhalter Johann Dinkel erst einmal nach Rheinfelden, holte dort das Einverständnis des Oberamtes und reiste dann zweimal nach Aarau, wo er in der Glockengiesserei wohl einen Kostenvoranschlag einholte und das weitere Vorgehen besprach.

Um die Kosten für die neue Glocke tief zu halten, wurde sie aus dem Material der alten hergestellt, schliesslich bestand die Glockenspeise (Gussmaterial) aus teuren Metallen, genauer aus Zinn und Kupfer im Verhältnis von etwa 1 zu 4. Das Umgiessen der alten in eine neue Glocke kostete gut 68 fl.
Den Glockenklöppel, Kallen genannt, liessen die Eiker in Murg herstellen. Auch dieser wurde aus dem Material des alten Klöppels hergestellt. Er bestand wohl aus Weicheisen und konnte daher von einem Hammerschmied angefertigt werden.

Bei der Montage der Glocke im Kirchturm half der Schlosser von Obermumpf. Dabei dürfte es sich um Jakob Schmid gehandelt haben. Dieser hatte 1783 eine Obermumpfer Bürgerstochter geheiratet und sich dort niedergelassen. 1784 erteilte ihm die Obermumpfer Gemeindeversammlung das Bürgerrecht. Als «Einstand» hatte er jedem Bürger auf Martini 50 xr, 1 Saum Wein und 5 Laib Brot auszuhändigen. Zudem musste er, so lange er seinen Beruf ausübte, zusammen mit dem Sigristen die Obermumpfer Kirchturmuhr reinigen.
Die in Aarau 1788 hergestellte Eiker Glocke wurde 1858 ebenfalls umgegossen.

Dorfansicht aus der Zeit vor 1870. Der Chor des alten Gotteshauses war im unteren Teil des Kirchturms integriert. (Bild: zVg Hubert Schwarb)

Dorfansicht aus der Zeit vor 1870. Der Chor des alten Gotteshauses war im unteren Teil des Kirchturms integriert. (Bild: zVg Hubert Schwarb)

Wallfahrt nach Todtmoos

Hab ich dem Herrn Pfarrer bezahlt für die Wallfahrt in das Todtmoos 3 fl 3 bz, dem Kreuz- und dem Fahnenträger 1 fl 7 bz 5 xr, dem Engelhart Mösch für ein Pferd 1 fl 3 bz. (1740)
Auch die Eiker hielten einst, wie heute noch die Hornusser, zweitägige Fusswallfahrten nach Todtmoos ab. Laut einem 1778 vom Rheinfelder Oberamt abgefassten Bericht pilgerten die Eiker jeweils Anfang Mai nach Todtmoos. Sie erfüllten damit ein Gelübde, das die Gemeinde vor über 150 Jahren abgelegt hatte, nachdem sie mehrere Jahre von starken Hagelschäden heimgesucht worden war. Einen Todesfall während einer Wallfahrt überliefert uns das Eiker Sterberegister: Am 2. Mai 1753 verstarb in Todtmoos der Knabe Fridolin Jeggi aus Eiken anlässlich der Wallfahrt.

Als Kaiserin Maria Theresia 1777 alle Gruppenwallfahrten untersagte, bei denen die Pilger auswärts übernachteten, ignorierten die Gläubigen vielerorts dieses Verbot. 1779 baten der Homburger Vogt in Frick und Stabhalter Dinkel von Eiken die Regierung, die traditionellen Kreuzgänge wieder durchführen zu dürfen – ohne Erfolg. Offenbar hatte die Obrigkeit das Verbot der zweitägigen Wallfahrten mittlerweile auch in Eiken durchsetzen können. Am Ende der habsburgischen Herrschaft fanden wieder mehrere Fricktaler Wallfahrten nach Todtmoos statt. Im Jahre 1802, zur Zeit des Kantons Fricktal, pilgerten die Eiker zwei Wochen vor Christi Himmelfahrt zum Schwarzwälder Heiligtum. Wie einst die Habsburger verbot auch die Aargauer Regierung derartige Wallfahrten, was erneut den Unmut des Volkes hervorrief. An einem 1810 illegal durchgeführten Bittgang nach Todtmoos beteiligten sich etwa 950 Personen, wovon 80 aus Eiken. Die Todtmooswallfahrten wurden nicht vom Klerus, also von Seiten der Amtskirche, sondern von den Ortsvorstehern veranlasst und organisiert – auch in Eiken.

Nahm der Ortsgeistliche an der Wallfahrt teil, bekam er eine Entschädigung, zudem wurde ihm ein Pferd zur Verfügung gestellt. Neben der Besoldung der Kreuz- und Fahnenträger erwähnen einige Jahresrechnungen zusätzliche Ausgaben zu Handen der Sigristen in Todtmoos und Murg. 1774 erhielt jeder 10 bz. Die Eiker Todtmooswallfahrt führte demzufolge über Murg, wo man die Pfarrkirche – bis ins 19. Jahrhundert hinein ebenfalls ein Marienwallfahrtsort – besuchte.

Ziel früherer Eiker Bittgänge: Die zwischen 1625 und 1632 erbaute Wallfahrtskirche Todtmoos vor ihrer Erweiterung 1927. (Bild: zVg Gemeindearchiv Todtmoos)

Ziel früherer Eiker Bittgänge: Die zwischen 1625 und 1632 erbaute Wallfahrtskirche Todtmoos vor ihrer Erweiterung 1927. (Bild: zVg Gemeindearchiv Todtmoos)

Bittgänge und Prozessionen

Dem Hr. Pfarrer, auch dem Stabhalter und dem Sigrist für um den Bann: 1 fl 12 bz. (1741)
Den Kreuz- und Fahnenträgern für um den Bann: 9 bz. (1741)
Dem hochwürdigen Pfarrer und dem Sigrist für um den Bann gohn: 1 fl. (1788)
Für 3 Pfund Schiesspulver am Fronleichnamstag bezahlt: 2 fl. (1788)
Den Schützen [an Fronleichnam] für einen Trunk und Brot bezahlt: 4 fl 7 xr. (1788)
Dem Bürgermeister für einen Gang auf Aarau auf Fronleichnamstag Pulver zu holen: 1 fl. (1803)

Bei der Bannprozession im Frühling ging man «mit Kreuz» übers Feld und betete für ein gutes Gedeihen der Feldfrüchte. In dieser Prozession lebten die in früheren Jahrhunderten üblichen Bannumgänge weiter. Jeweils am ersten Maisonntag gingen die Eiker betend «ume Baa» und besuchten dabei verschiedene Kreuze nahe der Banngrenze. Mit der Zeit liess man immer mehr Kreuze aus, bis Anfang der 1970er-Jahre die Prozession abgeschafft wurde. Zum traditionellen Bild einer Prozession gehörten neben dem Vortragekreuz auch Kirchenfahnen. Die Gemeinderechnung von 1734 überliefert uns die Kosten für eine neue Stange zum Befestigen einer Kirchenfahne:
Hab ich dem Schreiner für eine neue Fahnenstange gegeben: 10 bz 8 xr.
Dem Mahler gegeben für die Fahnenstange anzustreichen und den Knopf zu vergolden: 1 fl 3 bz.

Wie andernorts wurden an Fronleichnam früher auch in Eiken entlang der Prozessionsroute aufwendig gestaltete Altäre aufgestellt, wie der abgebildete an der Talstrasse um 1960. (Bild: zVg Hubert Schwarb)

Wie andernorts wurden an Fronleichnam früher auch in Eiken entlang der Prozessionsroute aufwendig gestaltete Altäre aufgestellt, wie der abgebildete an der Talstrasse um 1960. (Bild: zVg Hubert Schwarb)

Bannwart

Dem Hatschier und beiden Bannwarten wegen den Bettlern: 45 xr. (1788)

Herumstreunende Vagabunden und Bettler wurden zeitweise zur Plage. Die Gemeinden versuchten, diese Leute von ihrem Gebiet fernzuhalten und nötigenfalls zu vertreiben – man «exportierte» sozusagen das Problem. Für die Umsetzung dieser Massnahmen waren in Eiken der Hatschier (Dorfwächter) sowie die Bannwarte zuständig, wobei Letztere vor allem draussen auf der Flur nach dem Rechten sahen.

Die Bannwarte gehörten zu den wichtigsten Beamten der Gemeinde. Sie überwachten die Wälder, Äcker, Wiesen und Häge, sorgten für die Einhaltung der Flur- und Waldordnung und zeigten Frevler an. Von Viehbesitzern, deren Tiere im Eiker Bann auf einem Acker, einer Matte oder in den Gärten Schaden angerichtet hatten, mussten die Bannwarte ein Schadensgeld eintreiben. Im Dorf zogen sie Bussen ein und amteten als Dorfweibel und Boten. Bannwarte, später auch Flurhüter genannt, gab es auch in der nachhabsburgischen Zeit bis weit ins 20. Jahrhundert hinein.

Schermauser

Hab ich dem Schermüser Hans Rorer geben: 12 bz und nochmals 6. (1734)
Schermäuser Hans Rohrer in drei Raten bezahlt: 18 fl. (1735)
Dem Schärenfänger von Harbelingen gegeben: 16 fl 40 xr. (1788)

Der Schermauser hatte den Auftrag, Mäuse, vor allem Feldmäuse und Schermäuse zu fangen, die auf den Feldern und an Obstbäumen grosse Schäden anrichten konnten. Schermauser konnten aus dem Dorf sein, es gab offenbar auch auswärtige, «professionelle» Mäusefänger, wie jener aus Harpolingen.

Bahnschlitten

Für 4 Leistnägel zum Baschlitten: 8 bz. (1788)

Der von Pferden gezogene Bahnschlitten diente der Schneeräumung. Vor allem die Landstrasse musste für den Verkehr offen gehalten werden, da Postkutschen zwischen Basel und Zürich verkehrten.

Kriegslasten

Dem 16. Christmonat hab ich dem Jörg Ris undt Martin Ris zalt für auf Freyburg auf der Schantz gewesen: 28 fl 12 bz. (1744)
22. Christmonat hab ich 2 Schantzern auf Reinfelden zalt: 3 fl 9 bz. (1744)
10. Hornung hab ich dem Fridlin Giess bezalt, dass er dem Oberstleütnambt ein Kalb geben: 3 fl 3 bz. (1745)
Dem 19. Hornung hab ich dem Jacob Giess bezalt, dass er einem Soldaten den Totenbaum [Sarg, Anm.] gemacht: 3 bz 6 xr. (1745)
Gelder für Kälber metzgen. (1745)
3 Auszüger bezalt: 2 fl 6 bz. (1745) Für Schanzarbeiten: 52 fl. (1745)
Am 25. April 60 Monatsgelder dem Offizier bezahlt. (1745)

In den Jahren 1741–1748 tobte in Europa der Österreichische Erbfolgekrieg. In dieser langen Auseinandersetzung verteidigte Maria Theresia nach dem Tode ihres Vaters ihr Erbe gegen andere europäische Mächte. Während des Krieges wurden der Bevölkerung hohe Lasten auferlegt. 1743 musste die Gemeinde der österreichischen Armee beträchtliche Leistungen an Geld und Naturalien entrichten. Im Herbst 1744 besetzten die Franzosen das Gebiet, die im kommenden Frühling wieder durch österreichische Truppen verdrängt wurden. Egal ob eigene oder feindliche Truppen: Die Bevölkerung musste sie unterhalten und die Männer wurden zu Schanzarbeiten genötigt. Wie drückend die finanzielle Last war, verdeutlicht die Aushändigung einer Steuer, wahrscheinlich an einen Offizier der österreichischen Armee, in der Höhe von gleich 60 Monatsgeldern!

Musterung

Dem Heinrich Dinkel, Bürgermeister, für ein Gang auf Frick beym Recruten stellen: 30 xr. (1788)
Dem Seckelmeister Mösch zu Frick wegen denen Recruten Kösten: 8 fl 58 xr. (1788)

Im Grunde war jeder Bürger der Obervogtei wehrpflichtig und Angehöriger der Fricktaler Landmiliz. Neben dieser Landsturmeinheit zur Verteidigung der engeren Heimat gab es das stehende Heer. Jede Gemeinde musste für die österreichische Armee Rekruten stellen. In der Obervogtei Fricktal fand die Musterung jeweils in Frick statt. Eiken hatte bei Rekrutierungen jeweils zwei bis drei Männer zu stellen. Diese waren vorgängig ausgelost oder gekauft worden und wurden bei der Musterung in Anwesenheit des Obervogts, eines Chirurgen sowie eines Offiziers auf ihre Tauglichkeit geprüft. Oft suchten die Gemeinden unbeliebte (Jung)Männer in den Militärdienst abzuschieben.

Um 1788 leisteten Fricktaler Soldaten im Benderschen Regiment Dienst. Dieses betrieb in Freiburg eine Kaserne, an deren Bau auch die Gemeinde Eiken einen finanziellen Beitrag leisten musste:
An den Casernen Bau bey dem Christophel Thor zu Freyburg: 54 fl. (1774)

Auswanderung

Dem Fridli Schmidt, der nach Hungarn gezogen, auf den Weg bezahlt: 13 fl 3 bz. (1772)

Im 18. Jahrhundert förderten die Habsburger die Ansiedlung von Bauern im damaligen südlichen Ungarn, vor allem im, heute rumänischen, Banat. In die Jahre von 1763 bis 1772 fällt der «theresianische Schwabenzug», bei dem rund 50‘000 deutschsprachige Auswanderer nach Südungarn zogen, unter ihnen der oben erwähnte Eiker. Wahrscheinlich war er der Gemeinde zur Last gefallen, weshalb sie seine Auswanderung finanziell unterstützte.

Karitatives

Dem 10. Januar einem armseligen Mann Steür geben: 6 bz. (1772)
Drey armen Studenten geben: 3 bz. (1772)

Aus der Gemeindekasse wurden hin und wieder Bedürftige mit einem Almosen unterstützt. Auch arme Studenten, oft Theologiestudenten, kamen in den Genuss einer Gabe. Gespendet wurde auch für Opfer von Brand- und Unwetterschäden:
1774 gab man einem Mann aus der Bernauer Herrschaft so wegen Wasserschaden erlitten 12 bz.
Die Bernauer Herrschaft umfasste die Dörfer Ober- und Unterleibstadt sowie Schwaderloch. Ein heftiges Unwetter hatte auch Eiken 1773 heimgesucht. Die Gemeinde erhielt wegen der verursachten Schäden aus der Landschaftskasse 325 fl.

Linus Hüsser

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